Als ich in einem kürzlich durchgeführten Telefontraining „Kundenorientierung und Beschwerdemanagement am Telefon“ den Teilnehmern die Technik des Aktiven Zuhörens näherbrachte, schlug mir die ehrliche Besorgnis einer Teilnehmerin entgegen.
Aktives Zuhören – was ist das überhaupt?
Ich hatte der Gruppe gerade erklärt, wie man beim Aktiven Zuhören knapp in Worte fasst, welche Gefühle in der Aussage des Kunden mitschwingen. Als Beispiel nutzte ich den realen Fall eines Teilnehmers, in dem sich der Kunde lautstark mit den Worten beschwerte: „Ich habe letzte Woche Ihr Produkt gekauft und alles versucht – aber keine Chance. Es funktioniert nicht. Und jetzt hing ich gerade geschlagene 30 Minuten in der Warteschleife. Freichheit!“ Der mitschwingende Ärger war leicht zu erkennen. Somit schlug ich im Sinne des Aktiven Zuhörens als Antwort vor: „Es tut mir leid zu hören, dass Sie solche Schwierigkeiten hatten. Das muss sehr frustrierend sein. Welches Problem liegt denn vor?“
Aktives Zuhören – ein praktisches Beispiel
Noch bevor ich die Vorteile dieser Vorgehensweise erklären konnte, meldete sich eine Teilnehmerin entrüstet zu Wort: „Herr Laxy, das merkt der Kunde doch, dass das ne Technik ist. Unsere Kunden sind doch nicht doof!“
Daraufhin antwortete ich in ruhigem Tonfall: „Sie machen sich also Sorgen, dass Sie dann nicht authentisch wirken?!“
Teilnehmerin (erleichtert): „Ja genau! Ich persönlich hasse das, wenn jemand am Telefon redet, als wäre es einstudiert! Ich finde es besser, wenn man persönlich auf mich eingeht.“
Meine Antwort: „OK. Ihnen ist wichtig, dass das Persönliche im Gespräch nicht auf der Strecke bleibt.“
Teilnehmerin (noch erleichterter): „Ja und deswegen habe ich die Befürchtung, dass man bei diesem Seminar ganz viele professionelle Techniken lernt, ich danach aber nicht mehr ich selbst bin.“ Andere Teilnehmer der Gruppe nickten zustimmend.
Nach einer kurzen Gesprächspause wechselte ich in die Metaposition, also den Standpunkt eines Beobachters, der die Interaktion zwischen der Teilnehmerin und mir als Trainer von „oben“ betrachtet.
Ich setzte mich zur Gruppe und bedankte mich für das wertvolle ehrliche Feedback. Auf meine Frage, wie die Teilnehmerin unseren gerade stattgefundenen Dialog empfand, reagierte sie ausgesprochen positiv. Es tat ihr sichtlich gut, Ihre Bedenken offen zu äußern.
Dann fragte ich Sie: „Ist Ihnen denn aufgefallen, dass ich auf Ihre Bedenken zwei Mal mit Aktivem Zuhören eingegangen bin?“
Die Teilnehmerin antwortete überrascht: „Echt?“ Nachdem sie kurz nachdachte ergänzte sie: „Nein, das ist mir währenddessen nicht aufgefallen. Aber jetzt wo Sie es sagen…“
Nach einer weiteren Gedankenpause schoss es dann aus Ihr heraus: „Ok – Sie haben mich überzeugt. Anscheinend kann man das Aktive Zuhören tatsächlich authentisch rüberbringen. Ich werde das in meinen nächsten Gesprächen mit emotionalen Kunden auf jeden Fall ausprobieren.“
Das Beispiel veranschaulicht meiner Meinung nach sehr schön, wie man Gesprächspartner durch Aktives Zuhören auf eine sachliche Ebene bringen kann und im besten Fall nähere Informationen zu den tiefer liegenden Gründen einer Kritik oder Beschwerde erhält. In diesem Fall war die Befürchtung der Teilnehmerin und scheinbar auch weiterer Teilnehmer, dass sie durch die professionellen Gesprächstechniken im Seminar nicht mehr authentisch wirken könnten.
Obwohl es für uns als Seminaranbieter eine Selbstverständlichkeit ist, dass die von uns vermittelten Gesprächstechniken authentisch wirken, haben wir im weiteren Seminarverlauf jede Gesprächstechnik einem Authentizitäts-Check unterzogen. In der im Nachgang durchgeführten Seminar-Evaluation wurde dies von den Teilnehmern als besonders wertvoll hervorgehoben.
Wie können Sie die Technik des aktiven Zuhörens selbst nutzen?
Die Technik des aktiven Zuhörens kann sehr nützlich sein, um effektiver mit Kunden am Telefon zu kommunizieren. Sie eignet sich besonders gut für stark emotionalisierte Gesprächspartner. Probieren Sie die Technik doch einmal in Ihren Gesprächen aus.
Dazu ist es wichtig, die eigene Aufmerksamkeit komplett auf den Kunden zu richten und die mitschwingenden Emotionen herauszuhören.
Dann „spiegeln“ Sie sowohl den Inhalt als auch die wahrgenommene Emotion des Kunden.
Auch im Privaten lässt sich die Technik hervorragend nutzen.
Hier ein weiteres Beispiel aus dem privaten Bereich: Stellen Sie sich z. B. vor, Sie sprechen mit einem Freund, der sich über eine schwierige Situation in seinem Leben beschwert, z. B. mit den Worten „Ich fühle mich gerade so gestresst und überfordert in meinem Job. Es gibt so viele Deadlines und ich habe das Gefühl, dass ich einfach nicht mithalten kann.“
Dann lohnt es sich gut zuzuhören und durch aktives Zuhören die mitschwingenden Gefühle zu verbalisieren, z. B. in dem Sie sagen: „Oh man, das hört sich so an, als ob du gerade viel Druck am Arbeitsplatz hast und das Gefühl hast, dass du nicht genug Zeit hast, alles zu erledigen?!“
Dadurch, dass wir nicht nur den sachlichen Teil der Nachricht „spiegeln“ sondern auch die wahrgenommenen Emotionen fühlt sich unser Gesprächspartner nicht nur inhaltlich sondern auch auf der Beziehungsebene gehört. Höchstwahrscheinlich wird unser Freund daraufhin mehr von seiner Problemlage erzählen. Das hat den Vorteil, dass wir seine Gefühlswelt viel besser verstehen und im weiteren Gesprächsverlauf darauf eingehen können.
Vielleicht antwortet Ihr Freund dann darauf: „Ja genau, das ist es. Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Kollegen nicht gerecht werde und ich nicht weiß, wie ich alles schaffen soll.“
Um einen Weg Richtung Lösung einzuschlagen könnte es in diesem Beispiel nun hilfreich sein, das aktive Zuhören mit einer Lösungsfrage zu kombinieren, z. B. indem wir sagen: „Das klingt wirklich frustrierend. Was denkst du denn, könntest du tun, um dich in dieser Situation besser zu fühlen?“
Vielleicht unterstützt dieser Dialog bereits bei der Lösungsfindung, vielleicht braucht es aber auch noch etwas Zeit, um einen geeigneten Weg aus dieser schwierigen Situation zu finden. In jedem Fall fühlt sich Ihr Freund gehört.